Scham wahrnehmen – Autorität neu denken. Gedanken aus zwei Fortbildungen im schulischen Kontext

von Carina Bründlinger

Scham ist eine der wirkmächtigsten Emotionen im schulischen Alltag und zugleich eine der leisesten. Sie zeigt sich selten offen, wirkt aber tief auf Lernen, Verhalten und Beziehung. In zwei Fortbildungen zu „Scham als tabuisierte Emotion“ und „Neuer, verbindender Autorität“ wurde für mich erneut deutlich, wie eng diese beiden Themen miteinander verbunden sind und wie sinnvoll es ist, sie gemeinsam zu betrachten.

Viele Situationen, die im Schulalltag als herausfordernd, eskalierend oder verweigernd beschrieben werden, sind auch Situationen, in denen Scham mitschwingt. Das betrifft Kinder und Jugendliche ebenso wie pädagogische Fachkräfte. Schule ist ein öffentlicher Beziehungsraum, in dem alle Beteiligten gesehen werden und sich bewusst oder unbewusst bewerten.

Scham entsteht dort, wo Kinder und Jugendliche sich nicht gesehen, nicht anerkannt oder bloßgestellt fühlen und daraus die Erfahrung machen, mit sich selbst nicht richtig zu sein. Diese Erfahrung wirkt oft tiefer als es von außen sichtbar ist. Gleichzeitig zeigen sich ähnliche Dynamiken auch bei Fachkräften, etwa in Momenten von Ohnmacht, Überforderung oder dem Gefühl, allein gelassen zu sein. Scham bleibt dann häufig unausgesprochen, beeinflusst das Handeln aber dennoch.

Gerade weil Schule ein öffentlicher Raum ist, entstehen schambesetzte Momente oft schneller, als uns bewusst ist. Öffentliche Korrekturen, Vergleiche, Leistungsanforderungen oder unbedachte Bemerkungen können leicht, als Beschämung erlebt werden. Scham richtet sich dabei nicht auf ein Verhalten, sondern auf die Person selbst und berührt damit unmittelbar Fragen von Würde und Zugehörigkeit.

Aus neurobiologischer und pädagogischer Perspektive ist gut nachvollziehbar, warum Scham Lernen erschwert. Sie unterbricht Beziehung und aktiviert Schutzreaktionen. In solchen Momenten geht es nicht mehr um Einsicht oder Kooperation, sondern um Rückzug, Anpassung oder Widerstand. Viele Eskalationen lassen sich so neu verstehen, nicht als fehlender Wille, sondern als Ausdruck innerer Not.

Genau hier bietet die Neue, verbindende Autorität einen hilfreichen Bezugsrahmen. Sie versteht Autorität nicht als Macht oder Kontrolle, sondern als präsente, verantwortungsvolle Beziehungsgestaltung. Pädagogische Fachkräfte bleiben handlungsfähig, ohne zu beschämen, und setzen Grenzen, ohne Beziehung abzubrechen. In den Fortbildungen wurde deutlich, wie entlastend diese Haltung erlebt werden kann, sowohl für Kinder und Jugendliche als auch für die Erwachsenen selbst.

Scham Sensibilität und Neue, verbindende Autorität treffen sich in einem zentralen Punkt, der Würde. Würde bedeutet im schulischen Kontext, Kinder und Jugendliche nicht auf ihr Verhalten zu reduzieren und Konflikte so zu bearbeiten, dass Beziehung möglich bleibt. Autorität zeigt sich dann nicht im Durchsetzen, sondern im beharrlichen, verantwortungsvollen Dranbleiben.

Die Erfahrungen aus den Fortbildungen zeigen für mich sehr deutlich, dass diese Haltung keine Selbstverständlichkeit ist. Sie will gelernt, geübt und reflektiert werden. Vielleicht liegt genau darin ein wichtiger Schlüssel für einen Schulalltag, in dem Beziehung trägt und Lernen wieder möglich wird.